Erfahrungsbericht eines Gesangspädagogen in Bezug auf e-learning während der Corona Krise

Eines steht nach drei wöchigem Distance Learning fest: digitale Medien sind hervorragend
dafür geeignet, so eine Krisenzeit zu überbrücken, jedoch werden sie den echten Unterricht im Raum
nie ersetzen können.

Zu Beginn findet man sich in einer vollkommen neuen Situation wieder, welcher man mit einer
gewissen Offenheit begegnen muss, sonst droht sie einen zu überfordern. Als Gesangslehrer an zwei
Musikschulen in Niederösterreich, musste ich mich auf wesentliche Aspekte des Unterrichts
konzentrieren, nämlich auf jene, welche auch über „distant learning“ zu einem Fortschritt bei den
GesangsschülerInnen beitragen kann.

Struktur war für mich das Wichtigste und so konzentrierte ich mich auf Werkzeuge, mit
welchen ich Technik, Ausdruck und Repertoirearbeit vereinen konnte. Das Aufnehmen von Videos
erachtete ich als unumgänglich, da ich damit die Übung in Klang und Körper ersichtlich darstellen
kann und die SängerInnen die Vorgänge Schritt für Schritt mitverfolgen können. Weiters nutzte ich
die Chance der Sprachaufzeichnung der modernen Smartphones, da diese oft eine akzeptable
Qualität liefern können und somit ein Vorsingen verschiedener Phrasen und Erläuterungen von
Tonfolgen leicht möglich ist. Von einigen KollegInnen aus anderen Musikschulen habe ich auch
zugetragen bekommen, dass das Angebot von Videofonie wie beispielsweise „zoom“ oder „skype“ eine
weitere gute Möglichkeit darstellt Gesang über Distanz zu unterrichten, somit habe ich auch das in
mein Angebot aufgenommen, jedoch auf freiwilliger Basis und nur zusätzlich zu den
Sprachaufzeichnungen und Videos.

Ein großer Punkt in dieser Ausnahmesituation ist bestimmt die Soziale Kompetenz und
Feinfühligkeit der LehrerInnen im Hinblick auf die Aufgabenstellungen und Kommunikation mit
SchülerInnen und Eltern. Generell ist festzustellen, dass es von SchülerIn zu SchülerIn völlig
unterschiedlich ist, wie regelmäßig die Rückmeldungen eintreffen und in welcher Genauigkeit die
Aufgaben erfüllt werden. Ausschlaggebend dafür ist in gewisser Weise die digitale
Selbstverständlichkeit in den Haushalten und die vorhandene Infrastruktur. Auch ist die seelische und
emotionale Situation der Familien hier zu bedenken. Man sollte auf keinen Fall vergessen, dass nicht
jede Familie die finanziellen Mittel für Smartphones, Laptops, Datenvolumen etc. besitzt, um ohne
Probleme auf einen digitalen Unterricht umsteigen zu können.
Julian Albert Kranner, 02.04.2020 1

Mir war von Anfang an wichtig, die Kinder und Jugendlichen nicht mit zu vielen Aufgaben und
Herausforderungen in Liedern zu überfordern, da mir der Druck der Schule in so einer Zeit bewusst
ist. Jedoch weise ich immer auf die große Bedeutung hin, diese lange Zeit zu Hause auch mit Kultur
zu füllen, da mir dies für das Wohlbefinden und das Geistige unersetzlich erscheint.

Die Reduktion der Interaktion mit Freunden und Familie bietet jedoch auch die Chance, die
Musiktheorie und die Vertiefung in die Musik zu ermöglichen. Innerhalb kurzer Zeit wurden unter
anderem von der MDW als auch vom Musik und Kunst Schulen Management eine Vielzahl an Apps,
Software und Onlineplattformen zusammengetragen und bereitgestellt. Diese Links habe ich ebenfalls
an die SchülerInnen weitergegeben, um Ihnen die Möglichkeiten aufzuzeigen. Hierbei fand ich es
erneut wichtig, es ihnen nahe zu legen, keinen falls aber mit Druck zu versuchen, einen zu großen
Lernfortschritt erzielen zu wollen.

Ich bin davon überzeugt, dass jede Krise auch Ihre Chancen birgt, gerade im Musikunterricht,
einerseits um sich die digitalen Möglichkeiten selbst weiter zu erschließen und somit in Zukunft, gut
aufgestellt zu sein oder aber auch, um die SchülerInnen in einem anderen Licht zu erleben und die
LehrerIn SchülerIn Beziehung zu stärken.


Julian Albert Kranner, Gesangspädagoge an der Musikschule Wilhelmsburg